„Ein feste Burg“ in Konstantinopel? Liedübersetzungen des Tübinger Philhellenen Martin Crusius (1526–1607) für die Griechisch-Orthodoxe Kirche
Vortrag mit musikalischer Darbietung
Paul Neuendorf (Bad Nauheim), Vortrag
Anna Kellnhofer, Sopran
Susanne Herre, Renaissancelaute
Unter den zahlreichen Handschriften der Forschungsbibliothek Gotha der
Universität Erfurt zur Reformationsgeschichte befindet sich eine
besondere Kuriosität: eine Sammlung von mehr als 50 lutherischen
Liedern in altgriechischer Übersetzung mit entsprechenden Auslegungen.
Lange blieb der Zweck dieser Arbeit ein Rätsel. Sollten diese
Übersetzungen ebenso wie lateinische Lieder in den humanistisch
geprägten Schulen gesungen werden, um das Erlernen der alten Sprache zu
erleichtern? Die Antwort auf diese Frage führt zu dem bedeutenden
Philhellenen Martin Crusius, dessen Liebe zu allem Griechischen ihn
veranlasste, jahrzehntelang die deutschen Predigten der Tübinger
Theologen während des Gottesdienstes simultan in Altgriechische zu
übersetzen. Bis zu seinem Lebensende sollten so ca. 6.500
handschriftliche Predigtübersetzungen entstehen. Seit 1573 bemühte er
sich mit seinen Tübinger Kollegen Stephan Gerlach (1546–1612), damals
Botschaftsprediger an der Hohen Pforte in Konstantinopel, und Jakob
Andreae (1528–1590) um nichts Geringeres als eine Kirchenunion
zwischen der Griechisch-Orthodoxen Kirche und dem Luthertum. Zu diesem
Anlass verfertigte Martin Crusius auch die erwähnten 50 lutherischen
Kirchenlieder in griechischer Übersetzung, die er über Dänemark und
Moskau nach Griechenland zu senden gedachte.
Eine Veranstaltung des Freundeskreises der Forschungsbibliothek Gotha e.V.